Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht

Die Klasse VFA19a der angehenden Verwaltungsfachangestellten besuchte am Dienstag, dem 14.01.2020 das BVerwG in Leipzig. Verhandelt wurde die Klage eines von der Polizei als Gefährder eingestuften Türken gegen die Anordnung seiner Abschiebung durch das Land Niedersachsen.

Zu Beginn wurde durch den Vorsitzenden (Berufsrichter) die Anwesenheit der erschienenen Beteiligten festgestellt. Anwesend waren unter anderem der Kläger mit seinem Anwalt und mehrere Vertreter des Landes Niedersachsen als Beklagte sowie Angehörige des Klägers im Publikum.

Im Anschluss wurde der Sachstand durch den Berichterstatter vorgelesen. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hatte per Verfügung Anfang April 2019 nach § 58a AufenthG die Abschiebung des bereits zuvor auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage festgenommenen Klägers in die Türkei angeordnet. Ahmet K. ist 29 Jahre alt, wurde in Kassel geboren und ist dort aufgewachsen. Er besuchte die Grundschule und ab der 5. Klasse eine Förderschule, erlangte allerdings weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung. Momentan lebt er mit seiner Lebensgefährtin in Göttingen von Sozialgeld nach SGB II  (Zweites Sozialgesetzbuch, Arbeitslosengeld II). Außerdem hat er ein Kind mit einer Ex-Frau. K. wurden bereits mehrere Straftaten wie beispielsweise Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz oder Sozialbetrug nachgewiesen, was jedoch kein Bestandteil der Verhandlung war, da es sich nicht um einen Strafprozess handelte.

Vom Kläger gehe eine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland aus, denn er sympathisiere mit dem Islamischen Staat (IS) und dessen Ideologien und habe Kontakt mit (anderen) Gefährdern, so lautete der Vorwurf des Landes Niedersachsen. 

Im Verfahren betonte K. jedoch mehrfach, dass er zwar eine islamisch geprägte Erziehung durch seine Eltern erfahren hatte, nun allerdings nicht nach dem Islam lebe und auch keine Ahnung davon hätte. Der Kläger sagte, dass er weder regelmäßig bete, im Ausnahmefall seine Mutter nach einer Anleitung zum Beten fragen würde und außerdem tätowiert sei (auch auf sein Motiv - zwei Schwerter - wurde eingegangen) und dies gegen den Islam verstoßen würde. Er wisse nicht, welches Bild der IS verherrliche, er interessiere sich nicht dafür. Als Ahmet K. 2017 in der JVA Langenstein in Abschiebungshaft einsaß, habe er sich erstmalig mit diesem Thema befasst, aber auch nur, weil es keine große Bücherauswahl gegeben hätte und ihm langweilig war. Der Vorsitzende fragte K. mehrmals, ob dieser mit Dritten über Religion sprechen würde. Der Klagende gab jedoch zuerst nur seine Mutter an, nach und nach allerdings weitere Personen. Durch gezielte Fragen des Vorsitzenden verstrickte sich der Klagende in Widersprüchen. Zum Beispiel hatte er sich mehrfach in eine Moschee zum Beten begeben, behauptete allerdings, er würde nicht beten. K. versuchte sich aus solchen Widersprüchlichkeiten folglich zu befreien. Er sagte, dass er in Göttingen "falsche Freunde" kennengelernt hatte und er nicht wisse, dass diese ebenfalls als Gefährder eingestuft werden und radikal sind.

Doch das Gericht hatte bereits im Sommer Zweifel an den Erkenntnissen der Polizei geäußert. Diese Zweifel bestätige inzwischen auch ein Gutachten des Bundeskriminalamtes. Der Risikoanalysebericht des BKA kommt zu dem Schluss, dass zwischen Ahmet K. und einer fundamentalistischen islamistischen Szene keine Verbindung herzustellen ist.

Die Verhandlung wurde nach ca. 2,5 Stunden unterbrochen, die Klasse verließ den Gerichtssaal daraufhin. Das Urteil fiel am Nachmittag. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Polizei keine ausreichenden Belege dafür vorgelegt habe, dass Ahmet K. ein potentieller Terrorist sein könnte und dass aktuell von dem Kläger nach § 58a AufenthG eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht. Somit wurde Ahmet K. nicht in die Türkei abgeschoben. Aktuelle Pressemitteilung besagen, dass Ahmet K. nun anderweitig durch das Land Niedersachsen abgeschoben werden soll, nun aber wieder das entsprechende Amtsgericht zuständig ist.

Anna Wedler, VFA 19a